GERD LEPIC
Maler I 14.9. - 30. 1.2024
Gerd Lepics Bilder fordern zu einem Dialog über die Beziehung des Menschen zu seinen Lebensgrundlagen auf. Lepic beschäftigt sich mit dem Wunder der Metamorphose, dem Stoffwechsel in der Natur, der Übergänge zwischen den Menschen und der übrigen Natur ermöglicht. Die Bilder sind episch aufgeladen, erzählen Geschichten. Auf den ersten Blick gebärden sich die dargestellten Wesen noch artgerecht. Später verwandeln sich Zweige und Wurzeln in Arme, Blätter in Köpfe, Haar oder Kopfschmuck, die sich in die Landschaft hineinweben. Diese Vexierbilder zeigen anschaulich, dass Form stets dasjenige ist, was sie umgibt.
Selbst wer mit Verrätselungen, kulturellen Anspielungen und optischen Hakenschlägen nichts anfangen kann, wird von Gerd Lepics vielschichtiger Nuancierungskunst angesprochen. Die Museologin Clara Sachs gliedert seine Werke in Metamorphosen, Landschaften und Eilende Passanten.
“Ich glaube an die Einheit von Mensch und Natur. Deshalb beschäftigen mich die Metamorphosen, ein Stoffwechsel, der Übergänge zwischen den Menschen und der übrigen Natur ermöglicht.” Gerd Lepic
1989 Studienabschluss Psychologie und Kunsterziehung, Julius-Maximilians-Universität Würzburg
1996 Promotion in Philosophie, Freie Universität Berlin
Einzelausstellungen:
1993 Theatergalerie Chambinzky, Würzburg 1997 Galerie Municipale, Vidauban, Frankreich 2001 Galerie Les amis de Max Ernst, Seillans, Frankreich
2002 Galerie Hollerhaus, Irschenhausen-Icking 2019 Rathausgalerie, Murnau
GERD LEPIC - STATIONEN
1980-1982 ausbildung aquarellmalerei bei ilse selig, würzburg
1982-1984 zeichenkurse der vereinigung kunstschaffender unterfrankens
1983-1989 studium kunsterziehung und psychologie – 1996 promotion
1986-1989 leitung der malergruppe salon 77, würzburg
seit 1987 ausstellungen in deutschland und im europäischen ausland
1989-1991 arbeitsaufenthalte in nizza, stuttgart und paris
1997 atelier du val d’argens, frankreich
1999-2002 im kreis der bernrieder künstler, deutschland
2008 künstlergruppe artig, deutschland
seit 2014 künstlervereinigung murnau e.V. tusculum, deutschland
2015 preisträger der murnauer kunstnacht, deutschland
seit 2017 euroart, belgien – 2018-2020 moving art colony in europe
2019 artgroup stoupa, griechenland
seit 2020 kunstforum weilheim, deutschland + AiM, frankreich
seit 2022 CLAM (cultura, lingua, arte, musica) international, italien
seit 2023 internationale gesellschaft der bildenden künste/german national committee of the international association of art (iaa)
2023 artist in residence, marie tak van poortvliet museum domburg, nederland
PRIVAT
lebt/arbeitet in mani/griechenland und oberbayern/deutschland
Dieter Progrediens I Mischtechnik auf Holz
RETINTO I Mischtechnik auf Papier
RETINTO I Mischtechnik auf Papier
Gerd Lepic - Ein Beitrag von Kunsthistrorikerin Bettina Gaebel MA
Gerd Lepic ist in unserer Ausstellung mit zwei ganz unterschiedlichen Schaffensperioden vertreten. Zunächst einmal die Retinto Serie: Diese Serie, bestehend aus 25 Arbeiten ist inspiriert von den Rindern, die in den Weiten Andalusiens bei Gibraltar leben. Die großformatigen Zeichnungen, die Rinder und insektoide Wesen darstellen, lassen auf den ersten Blick die natürlichen Ursprünge erkennen, wirken jedoch durch ihre verfremdete Darstellung fast wie aus einer anderen Welt. Lepic orientiert sich dabei an der natürlichen Form der Tiere, und spielt auch mit surrealen Elementen, die an Tintenfische oder Insekten erinnern.Die Farben, die er verwendet, sind so archaisch und natürlich wie die Motive selbst. Sie stammen aus der Landschaft, in der diese Serie entstanden ist – gesammelt an der Straße von Gibraltar. Pigmente wie ockerfarbene Erden, Holzkohle vom Feuer, Kalkstein, der Saft schwarzer Oliven und sogar Tinte aus Kalmaren wurden direkt auf saugfähiges Papier aufgetragen. Die Ergebnisse wirken homogen und intensiv, als wären sie aus dem Inneren der Erde selbst geboren worden.
Warum gerade Rinder?
Die Rinder sind die beherrschenden Lebewesen in den großen, kargen Naturschutzgebieten Andalusiens. Diese Tiere leben dort fast wild, durchqueren große Distanzen und sind Teil der Landschaft, die durch ihre Anwesenheit geformt wird. Lepic fasziniert die Ursprünglichkeit dieser Tiere, die in Harmonie mit ihrer Umgebung leben und die Landschaft in einem natürlichen Kreislauf prägen.
In einigen Arbeiten geht Lepic in die Abstraktion, die an Höhlenmalerei und archaische Formen erinnert. Diese Verbindung zur Jungsteinzeit ist bewusst gewählt. Wie die frühen Menschen, die ihre Umwelt und ihre Spiritualität durch Malerei ausdrückten, experimentiert Lepic mit natürlichen Materialien, die seit Tausenden von Jahren verwendet werden. Durch das Reiben und Kratzen der Pigmente auf dem Papier entstehen Strukturen, die eine tiefe Verbundenheit mit der Natur ausstrahlen und gleichzeitig die Rohheit und Kraft der Erde zum Ausdruck kommen.
Höhlenmalerei stellt eine der frühesten Formen menschlichen Ausdrucks dar und symbolisiert eine tiefe Verbindung zwischen Mensch, Natur und Spiritualität. Diese Kunstform geht bis zu 40.000 Jahre zurück und ist sowohl in ihrer Einfachheit als auch in ihrer Aussage kraftvoll und archaisch. Lepic greift auf diese Ursprünge zurück und verweist damit auf die Zeitlosigkeit der menschlichen Beziehung zur Natur an.Lepic arbeitet in einem experimentellen Prozess. Steine und Erden, die er sammelt, werden gerieben, um Farbpigmente zu gewinnen. Der künstlerische Akt folgt hier keinem festen Plan, sondern lässt sich von den Materialien selbst leiten. Diese elementare und intuitive Art des Gestaltens erzeugt eine starke Verbindung zwischen dem Künstler, dem Material und der Natur.
Die Motive seiner Bilder, besonders die Insektoiden und die Rinder, erinnern an mythologische Figuren. Diese Darstellungen stehen in einer langen Tradition, die zurück bis zu den Anfängen der Menschheitsgeschichte reicht, wo Menschen ihre Beziehung zur Natur in Bildern festhielten. Ähnlich wie bei den alten Höhlenmalereien betont Lepic das Zusammenspiel von Mensch und Natur:
Das Rind blickt gleichermaßen in seine eigene Vergangenheit zurück in eine Zeit, in der die Elemente und die Erde die Hauptakteure waren. Während sich Lepic in seinem Retinto Zyklus durch Intuition und Reduktion auf Naturpigmente in erdigen Brauntönen und dunklen Konturen ausdrückt, entfaltet er in Bildern auf Holz und in Mischtechnik eine expressive Farbigkeit voller Leuchtkraft, die einer konkreten Bildidee entspringt.
Inspiriert durch Künstler wie Max Ernst ist die Metamorphose ein zentrales Thema seiner Werke. Hier zeigt sich der Einfluss der Romantik. Der respektvolle Umgang mit den Elementen und der Naturverklärung, wie sie in der deutschen Romantik zu finden war, findet in Lepics Arbeiten eine moderne Entsprechung. Diese Naturverbundenheit, die sich durch sein gesamtes Werk zieht, wird zu einem Symbol für die zeitlose Metmorphose von Vergehen und Entstehen.
Der Mensch formt die Natur, aber zugleich wird er von der Natur geformt und bleibt ein Teil von ihr – ein Kreislauf, der mit dem Tod nicht endet. Lepic beschreibt die Verwandlung des Menschen in die Natur mit der Vorstellung, dass er sich in eine Pflanze verwandelt, nach dem Tod. Dies ist ein langsamer, stetiger Prozess – ähnlich wie der künstlerische Schaffensprozess selbst, bei dem sich über viele kleine Schritte und Entscheidungen hinweg etwas Neues formt. Diese Verwandlung und Rückkehr zur Natur erinnert an die Bildsprache von Archimboldo, der menschliche Figuren aus Pflanzen, Früchten und anderen Naturmaterialien schuf.
Doch während Archimboldo seine Motive eher verspielt und surrealistisch auswählte, sind Lepics Motive andere: Er beschäftigt sich mit der tiefen, existenziellen Verbindung von Mensch und Natur, wobei er auf mythische Ikonographien zurückgreift, wie etwa die „Grasnymphe“, eine Schutzheilige der Pflanzenwelt oder die Madonna. In seinen Arbeiten, besonders in den mythologischen Anklängen, zeigt sich Lepics Interesse an matriarchalen Gottheiten, die oft als Beschützerinnen der Natur dargestellt werden. Frauen, die als Nymphen oder Madonnen erscheinen, symbolisieren die Verbindung und das Schicksal der Natur und des Menschen. Diese Themen greift er in seiner Kunst auf, indem er den Menschen als einen Teil der Natur begreift, der den gleichen natürlichen Zyklen unterworfen ist.
Lepic bleibt aber nicht nur in der Mythenwelt verhaftet, sondern integriert auch surreale Elemente in seine Werke. Ein Beispiel hierfür ist seine „Napoleon“-Collage, die während einer Reise am Lago Maggiore entstand. Diese Arbeit, die eher durch Zufall im Zusammenspiel mit der Natur und den Gegebenheiten des Moments entstand, zeigt, dass der Prozess des Gestaltens für Lepic oft von äußeren Einflüssen geleitet wird. Es ist der Zufall, der „Wind der Wahrheit des Betrachters“, der diese surrealistische Collage in sein Werk integrierte.